Geschichte
Textilindustrie
Die Fabrikindustrie begann im Kanton Glarus 1740 mit der Gründung der ersten Stoffdruckerei. Zwischen 1815 und 1870 erlebte die Glarner Baumwollindustrie einen enormen Aufschwung in den Bereichen Stoffdruck sowie maschinelle Spinnerei und Weberei. Zwischen Linthal und Ziegelbrücke entstand eine Fabrik nach der anderen. Bunt bedruckte Glarner Tücher fanden in aller Welt Absatz. 1868, auf dem Höhepunkt, beschäftigten 22 Druckereien 5516 Arbeiterinnen und Arbeiter. Gleichzeitig waren 3847 Personen in 18 Spinnereien und 17 Webereien tätig. Glarus, das damals 32’200 Einwohner zählte, ist seither einer der am stärksten industrialisierten Kantone.
20. Jahrhundert: Neue Industriezweige
Im Verlaufe des 20. Jahrhunderts schlossen die meisten Textilfabriken ihren Betrieb. 2013 produzierten noch drei Webereien und zwei Textildruckereien. Nach 1900 entstanden neue, kräftige Industriezweige: Papier, Karton, Baustoffe, Kalk, Möbel, Teppiche, Pinsel, Isoliermaterial, Elektro- und Elektronikapparate, Metallverarbeitung, Maschinenbau, Chemie, Kunststoffverarbeitung und Lebensmittel.
Vielfältige Industriearchitektur
Im 19. Jahrhundert wurden die Linth und ihre Zuflüsse zur Industrieachse. Der Talboden und die alten bäuerlichen Siedlungen erhielten zunehmend das Gepräge einer Industrielandschaft mit Fabriken, Kanälen, Eisenbahnlinie, neuen Wohnquartieren und Fabrikantenvillen. Viele alte Fabrikanlagen sind bereits ganz oder teilweise abgebrochen worden, andere sind verändert und umgenutzt. Trotzdem: die erhaltenen Fabrikgebäude und die industriezugehörigen Bauten umfassen einen Zeitraum von über 200 Jahren und überraschen durch ihre Vielfalt. Drei kleine Fabriken in Blockbauweise repräsentieren Vorformen des Fabrikbaus. Zwischen 1780 und 1840 entstanden einige grosse Fabriken, deren Fassaden bewusst an den Schlossbau erinnern. Später zeigten die Fabrikgebäude äusserste Nüchternheit mit eintönigen Fensterreihen unter einem Satteldach. Nach 1880 griff die Fabrikarchitektur erneut auf einzelne Formen des Burgen- und Schlossbaus zurück. Moderne Fabriken zeichnen sich da und dort durch eine qualitätvolle Architektur aus. Einzelne Ensembles vereinigen interessante Gebäude aus verschiedenen Epochen.
Hänggitürme
Stoffdruckereien, Färbereien und Bleichereien benötigten im 18. und 19. Jahrhundert besondere Gebäude, an denen sie lange Stoffbahnen zum Trocknen aufhängen konnten. Aussen zeigen diese sogenannten Hänggitürme ein charakteristisches gemeinsames Merkmal: unter dem Dach einen vorragenden Umgang mit einem Lattenrost zum Aufhängen von Tüchern. Je nach ihrer Funktion unterscheiden sich Hänggitürme in Konstruktion, Form und Grösse voneinander. Um 1870 standen im Glarnerland gegen 50 verschiedene Hänggitürme, 2013 noch rund ein Dutzend.